Donnerstag, 7. Dezember 2006

Humorlos

Die Jungen
werfen
zum Spass
mit Steinen
nach Fröschen

Die Frösche
sterben
im Ernst

Erich Fried (1921-88)

Filmkritik: Revolver

Dass ich Revolver erst jetzt in die Finger bekam, ist sicher der nicht vorhandenen Vermarktung ausserhalb Grossbritanniens zu verdanken. Glücklicherweise hatte ich vorher auch keine Kritiken gelesen und konnte ihn so relativ vorurteilsfrei geniessen. Und genossen habe ich ihn. Visuelle Darstellung, Musik, Timing, Dialoge und Darsteller schaffen eine dichte fesselnde Atmosphäre, die mich die gesamten 2 Stunden gefangen hielt. Revolver ist ein Kunstwerk ohne zu künstlich zu wirken und schon rein handwerklich bisher der beste Film von Guy Ritchie.

Wirklich beeindruckend ist aber, dass der Film auch inhaltlich etwas zu bieten hat. Kritiker haben Ritchie vorgeworfen, bei Tarantino, Fincher oder Lynch gewildert zu haben, aber gegen Revolver sind Kill Bill und andere handwerkliche Vorbilder leere Hüllen ohne Sinn. Ritchie hat deren Stilmittel aufgegriffen, sie mit Sinn gefüllt und so etwas neues und wertvolles geschaffen. Der coole distanzierte Stil auf der einen Seite und die tiefen Einblicke in die Persönlichkeiten von Green (Stratham) und Mecha (Liotta) auf der anderen erzeugen eine merkwürdige Spannung. Wie ein Spiegel hat Revolver eine kühle glatte Oberfläche und das, was man hinter der Oberfläche sieht, ist man letztlich selbst.

Es ist zwar sehr bedauerlich, dass Revolver international auf wenig Interesse bei den Verleihern gestossen ist, aber man sollte eh besser die DVD kaufen. Ich sehe mir selten einen Film mehrmals an, aber Revolver musste ich einfach am gleichen Tag noch ein zweites Mal sehen und er hat genug Tiefe, um ihn noch ein drittes und viertes Mal einzulegen und immer etwas neues zu entdecken. Guy Ritchie und dem Zuschauer wäre es jedenfalls zu gönnen, wenn Revolver noch zu einem DVD-Erfolg würde.

Sonntag, 26. November 2006

Kennst du das auch?

Kennst du das auch, daß manchesmal
Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehn mußt?

Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf
Wie Einer, den ein plötzlich Herzweh traf;
Lust und Gelächter ist verstiebt wie Rauch,
Du weinst, weinst ohne Halt - Kennst du das auch?

Hermann Hesse

Samstag, 25. November 2006

Balut



Balut ist ein hartgekochtes, halb ausgebrütetes Entenei, das auf den Philippinen als Delikatesse gilt.

Baluts werden etwa ab dem 14. Bruttag vermarktet, 17-Tage-Eier sollen jedoch am besten schmecken. Aber auch 19-Tage-Eier werden angeboten. Gegessen werden die Eier mit Salz oder scharfem Essig. Schnabel und Federn der Entenküken sind deutlich zu erkennen. Einige Baluts enthalten noch eine gelbliche Flüssigkeit. Geschmacklich sei das bräunlichschwarze Fleisch eine Kombination aus salzig und scharf. Beim Essen knirscht es deutlich. Allgemein kann man wohl sagen, dass es an Krabbenfleisch erinnert.

Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schliesslich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagt, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend sassen sie immer noch dort.
Sie sassen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

Erich Kästner

Knick in der Optik?

Freitag, 24. November 2006

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

Hermann Hesse

Donnerstag, 23. November 2006

Deckenmalerei in einer Raucherzone

A Softer World

Mein Lieblings-Foto-Comic im Netz ist A Softer World mit originellem Design, hintergründigem Humor und melancholischem Tiefgang.

Durcheinander

Sich lieben
in einer Zeit
in der Menschen einander töten
mit immer besseren Waffen
und einander verhungern lassen
Und wissen
dass man wenig dagegen tun kann
und versuchen
nicht stumpf zu werden
Und doch
sich lieben

Sich lieben
und einander verhungern lassen
Sich lieben und wissen
dass man wenig dagegen tun kann
Sich lieben
und versuchen nicht stumpf zu werden
Sich lieben
und mit der Zeit
einander töten
Und doch sich lieben
mit immer besseren Waffen

Erich Fried

Mittwoch, 22. November 2006

Julian Beever

Der britische Künstler Julian Beever ist vor allem durch seine Strassenmalereien bekannt geworden. Seine Kunstwerke wirken so realistisch, dass Fotos von ihnen oft für Fotomontagen gehalten werden. Durch eine Mal-Technik, die Anamorphose genannt wird, wirken die Bilder aus einem Blickwinkel echt, aus anderen sind sie aber völlig verzerrt.





Mehr Bilder und Informationen gibt es auf seiner Homepage oder in dieser Videozusammenstellung:

Graffiti-Roboter

Der Graffiti-Roboter "Hector" von Jürg Lehni besteht aus einer Haltevorrichtung für eine Sprühdose, die an zwei Zahnriemen aufgehängt und über Motoren von einem Computer gesteuert wird. Ein genial einfaches System. Etwas weiterentwickelt müssten sich so ganze Hauswände ohne Gerüst oder Kran gestalten lassen. Mehr Infos und Videos auf der Homepage von Hector.

Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

»Der Werwolf« -- sprach der gute Mann,
»des Weswolfs«, Genitiv sodann,
»dem Wemwolf«, Dativ, wie man's nennt,
»den Wenwolf«, -- »damit hat's ein End«.

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch »Wer« gäb's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind --
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

Christian Morgenstern

John Coltrane - Naima

Eines der schönsten Jazz-Stücke aller Zeiten hat John Coltrane nach seiner Frau Naima benannt. Es gab seitdem viele Interpretationen (Ein paar finden sich bei YouTube), aber niemand spielt Saxophon wie Coltrane. Hier ein Live-Video aus dem Jahre 1965:

Wie mag er aussehen?

Wer hat zum Steuerbogenformular
den Text erfunden?
Ob der in jenen Stunden,
da er dies Wunderwirr gebar,
wohl ganz --- oder total --- war?

Du liest den Text. Du sinnst. Du spinnst.
Du grinst - "Welch Rinds" - Und du beginnst
wieder und wieder. Eisigkalt
kommt die Vision dir "Heilanstalt".

Für ihn? Für dich? - Dein Witz erblaßt.
Der Mann, der jenen Text verfaßt,
was mag er dünkeln oder wähnen?
Ahnt er denn nichts von Zeitverlust und Tränen?

Wir kommen nicht auf seine Spur.
Und er muß wohl so sein und bleiben.
Auf seinen Grabstein sollte man nur
den Text vom Steuerbogen schreiben.

Joachim Ringelnatz

Sand Fantasy

Die Künstlerin Ilana Yahav lässt mit ihren Händen auf einer beleuchteten Glasplatte Bilder aus Sand entstehen, wieder vergehen und sich neu entwickeln. Diese Dynamik aus Entwicklung und Vergänglichkeit macht wohl den besonderen Reiz ihrer Kunst aus (auch wenn für meinen Geschmack Motive und Hintergrundmusik etwas zu kitschig sind).



Weitere Videos gibt es bei YouTube und auf der Homepage der Künstlerin.

Raucher?

Dienstag, 21. November 2006

Jabberwocky

Jabberwocky (Illustration von John Tenniel)


Twas brillig, and the slithy toves
Did gyre and gimble in the wabe;
All mimsy were the borogoves,
And the mome raths outgrabe.

Beware the Jabberwock, my son!
The jaws that bite, the claws that catch!
Beware the Jubjub bird, and shun
The frumious Bandersnatch!

He took his vorpal sword in hand:
Long time the manxome foe he sought
So rested he by the Tumtum tree,
And stood awhile in thought.

And as in uffish thought he stood,
The Jabberwock, with eyes of flame,
Came whiffling through the tulgey wood,
And burbled as it came!

One, two! One, two! And through and through
The vorpal blade went snicker-snack!
He left it dead, and with its head
He went galumphing back.

And hast thou slain the Jabberwock?
Come to my arms, my beamish boy!
O frabjous day! Callooh! Callay!
He chortled in his joy.

Twas brillig, and the slithy toves
Did gyre and gimble in the wabe;
All mimsy were the borogoves,
And the mome raths outgrabe.

Das berühmte Unsinns-Gedicht von Lewis Carroll stammt aus dem Buch Alice hinter den Spiegeln (1871). Die meisten Begriffe sind erfunden und lautmalerisch, so dass Übersetzungen eher Neudichtungen sind. Ein Sammlung deutschsprachiger Interpretationen findet sich unter http://jabberwocky.de/ und die Website Jabberwocky Variations enthält Übersetzungen in weitere Sprachen, darunter auch Latein und Klingonisch. Nett ist auch die Variation der Muppets Schow:

Der Einsame

Wie einer, der auf fremden Meeren fuhr,
so bin ich bei den ewig Einheimischen;
die vollen Tage stehn auf ihren Tischen,
mir aber ist die Ferne voll Figur.

In mein Gesicht reicht eine Welt herein,
die vielleicht unbewohnt ist wie ein Mond,
sie aber lassen kein Gefühl allein,
und alle ihre Worte sind bewohnt.

Die Dinge, die ich weither mit mir nahm,
sehn selten aus, gehalten an das Ihre -:
in ihrer großen Heimat sind sie Tiere,
hier halten sie den Atem an vor Scham.

Rainer Maria Rilke

Den Kopf verlieren

Eigentlich ist das ein relativ einfacher Trick mit einem weiten Mantel, einer Stützkonstruktion und etwas Übung, aber immer wieder überraschend und wirkungsvoll. Hier ist kleine Sammlung von Leuten, die in der Öffentlichkeit ihren Kopf verlieren.